Dehnen ist unter Physiotherapeuten und Sportlern seit Jahren in der Diskussion. Zu keinem anderen Thema gibt es so viele Mythen und Halbwahrheiten, was zu sehr viel Verwirrung und Unsicherheit führt.
In meiner Praxis werde ich oft gefragt:
Dehnen ja/nein, wenn ja, warum und wofür? Besser vor oder nach dem Sport? Schützt Dehnen tatsächlich vor Verletzungen und vor Muskelkater?
Im Beitrag werde ich versuchen, das Thema Dehnen zu erklären und einige Fragen zu beantworten.
Dehnen wird vorwiegend in den Bereichen Therapie, Sport und Freizeit eingesetzt.
In der Physiotherapie wird Dehnen vor allem zur Verbesserung der Beweglichkeit und zur Schmerzreduktion, wie zum Beispiel bei Rückenschmerzen, eingesetzt.
Im Sport wird es zum Aufwärmen, zur Vorbeugung von Verletzungen und zur Leistungssteigerung eingesetzt.
In der Freizeit wird es zur allgemeinen Beweglichkeitsverbesserung, Steigerung der Körperwahrnehmung und als Teil der spirituellen Entwicklung (z.B. Yoga) angewandt.
Generell lässt sich sagen, dass durch das Dehnen die Durchblutung gesteigert und der Stoffwechsel angeregt wird.
Die beiden bekanntesten Arten der Dehnung sind:
- Statisches Dehnen: Hier wird die Dehnposition kontrolliert eingenommen und bestimmte Zeit (30 Sekunden oder länger) gehalten.
- Dynamisches Dehnen: Hier wird die Dehnung mit mehrfach wiederholten federnden Bewegungen durchgeführt.
In der Physiotherapie werden weitere spezifische Dehntechniken angewendet.
Dehnen bei Ausdauersport und Kräftigung
Wer vor einem Kraft- oder Ausdauertraining dehnen möchte, sollte dynamisch die Dehnung durchführen. Eine Meta-Studie legt nahe, dass das langsame/federnde Herantasten an einer immer größeren werdenden Bewegungsradius sich positiv auf die Leistung auswirkt.
Dynamisches Dehnen gilt als effektives Mittel, um vor einer Belastung die Muskulatur zu aktivieren und den Muskeltonus (Spannung) zu erhöhen.
Die statische Variante verringert Studien zufolge Muskelkraft, Schnelligkeit und Explosivität. Daher ist diese Variante ungeeignet vor dem Kraft- und Ausdauertraining wie zum Beispiel beim Laufen, Fussball oder Tennis.
Nach dem Sport kann statisches Dehnen jedoch dazu beitragen, die Beweglichkeit zu verbessern oder zu erhalten und den Muskeltonus zu reduzieren bzw. die Muskulatur zu entspannen (Cool down).
Bei Sportarten die hohe Flexibilität erfordern wie Gymnastik oder Tanzen ist es etwas anders, hier kann statisches Dehnen bereits vor dem Training sinnvoll sein, da die Gelenkbeweglichkeit verbessert und der Körper auf die spezifische Belastung vorbereitet wird.
Studien belegen das es keinen Hinweis dazu gibt, das Dehnung Muskelkater reduziert. Dehnen hat somit, genau wie Massagen, Eis und Nahrungsergänzungsmittel, keinen Nutzen zur Vorbeugung von Muskelkater.
Was passiert beim Dehnen im Muskel?
Um zu verstehen, was bei der Dehnung im Muskel passiert, hilft ein Blick auf dessen Aufbau.
Ein Skelettmuskel besteht aus Muskelfasern, die parallel in Faserbündeln verlaufen. Jede Muskelfaser enthält Myofibrillen aus Aktin-, Myosin-, und Titinfilamenten. Kommt es zu einer Dehnung bzw. einem Dehnreiz, werden die kontraktilen Komponenten der Aktin- und Myosinfilamente auseinander gezogen. Die viskoelastischen Strukturen des den Muskel umhüllenden Bindegewebes setzen der Dehnung einen Widerstand entgegen und schützen so vor einer Überdehnung. Zwischen den sogenannten Z-Linien und der Myosinfilamente sorgen elastische Titinfilamente dafür, das Aktin- und Myosinfilamente nicht zu weit auseinander gleiten und bringen den Muskel nach der Dehnung wieder in seine ursprüngliche Form.
Man spricht immer wieder von einem „verkürzten Muskel“. In Wahrheit gibt es keinen verkürzten Muskel und durch das Dehnen wird er auch nicht länger.
Regelmäßiges Dehnen (Mindestens 3x pro Woche) bewirkt eine erhöhte Dehntoleranz und eine Verbesserung der Gleitfähigkeit im Muskel.
Ich hoffe ich konnte einen guten Überblick zum Thema Dehnen geben. Da es immer wieder neue Studien und Erkenntnisse gibt, habe ich die aktuellen Empfehlungen und Ergebnisse zusammengefasst.
Für weitere Fragen und Informationen stehe ich gerne zur Verfügung.